C. Halter-Pernet: Hofrechte und Offnungen des Klosters Einsiedeln

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Titel
Hofrechte und Offnungen des Klosters Einsiedeln. Entstehung, Entwicklung, Verwendung


Autor(en)
Halter-Pernet, Colette
Erschienen
Zürich 2014: Chronos Verlag
Anzahl Seiten
392 S.
von
Pascale Sutter, Edition, Rechtsquellenstiftung des Schweizerischen Juristenvereins

Die durch die Professoren Simon Teuscher und Stefan Sonderegger angenommene Dissertation zu den Einsiedler Hofrechten beschäftigt sich mit einem seit Jahrhunderten rechtsgeschichtlich hochrelevanten Thema, der Weistumsforschung, das heisst den seit dem Beginn des 14. Jahrhunderts bis zum Ende des Ancien Régime schriftlich fixierten Hofrechten, Weistümern, Offnungen und Hofrodeln. In diesen unterschiedlich benannten Quellen werden Regelungen des ländlichen Lebensbereichs für ein klar abgrenzbares Gebiet festgehalten. Zu Beginn der Arbeit prüft die Verfasserin diese Quellenbegriffe kritisch und definiert die Verwendung in ihrer Untersuchung, da in der Forschung keine allgemeingültige Weistumsdefinition existiert. Halter-Pernet verwendet den Quellenbegriff Offnung für eine Rechtsaufzeichnung, die mit Namen und Datum versehen ist, während ein Hofrecht – und als Synonym dazu der Hofrodel – undatiert und nicht mit Namen überliefert ist.

Analog zu den Untersuchungen von Walter Müller, Theodor Bühler und Rudolf Hinsberger beschäftigt sich die Dissertation mit den überlieferten Hofrechten und Offnungen einer geistlichen Institution und analysiert die Ordnungsvorstellungen und Regelungskonzepte in ihrer Entwicklung. Beeinflusst von der Schriftlichkeitsforschung und in Anlehnung an Michael Clanchys Phasen der Herstellung (making), des Gebrauchs (using) und der Aufbewahrung (keeping) werden die Dokumente, auch hinsichtlich ihrer Materialität, kritisch unter die Lupe genommen. Zudem ermöglicht diese Quellengattung einen guten Einblick in die Mechanismen der Herrschaftsausübung und -organisation des Klosters Einsiedeln im Mittelalter und der Frühen Neuzeit.

Im Einsiedler Klosterbestand sind auch Sammelhofrechte (Gesamtweistümer) überliefert, die bislang nur für geistliche Herrschaftsträger nachgewiesen wurden. Sammelhofrechte galten für mehrere Höfe gleichzeitig und behandeln hauptsächlich gerichtliche und wirtschaftliche Aspekte der Grundherrschaft. Halter-Pernet bezeichnet sie als «Produkte der klösterlichen Strategie für den Aufbau einer schriftbasierten Verwaltung», welche die lokalen Herrschaftsvertreter durch gemeinsames Recht in die Pflicht nahmen.

Ein Kapitel der Arbeit analysiert ausführlich die Entwicklung der Quellengattung in den verschiedenen Ämtern des Klosters und zeigt, dass – wie aus dem städtischen Kontext bekannt – auch im Einsiedler Herrschaftsgebiet Präzedenzfälle und Einzelurteile wegweisend sein konnten und daraus Recht mit allgemeiner Gültigkeit entstand. Das Kloster reagierte zwangsläufig auf die politisch-herrschaftliche Entwicklung seiner städtischen Konkurrenten, beispielsweise der Stadt Zürich, die ab dem 15. Jahrhundert versuchte, in ihrem Territorium die Niedergerichtsbarkeit zu kontrollieren, indem sie Hof- und Vogtgerichtsbarkeit vereinigte. Die Offnungen und Hofrechte, die man an Gerichtstagen und Huldigungen als Bestandteil der Herrschaftsvermittlung verlas, wurden meistens zur Verteidigung von Rechten gegenüber anderen Herrschaftsträgern und nicht zur Unterdrückung der Untertanen geschaffen, weshalb fehlende Dokumente auf stabile Verhältnisse schliessen lassen. Neben den externen Entstehungsfaktoren sind auch interne zu berücksichtigen: Einzelne initiative Äbte steigerten in ihrer Amtszeit die Produktion von Schriftlichkeit und setzten sich zum Teil stark für das Herrschaftsgebiet ihrer Herkunftsfamilie ein.

Die Verfasserin teilt die Arbeit in fünf Kapitel ein, die auch unabhängig voneinander gelesen werden können, und fasst die Ergebnisse in einem lesenswerten Schlusswort zusammen. In der Einführung ins Thema referiert die Historikerin kompetent den aktuellen Forschungsstand und stellt ihren Forschungsgegenstand den Thesen der Weistumsforschung kritisch entgegen.

Die Dissertation enthält zudem einen wertvollen Anhang mit Tabellen zur Überlieferung der Einsiedler Hofrechte und Offnungen sowie Transkriptionen der noch nie im Volltext edierten Quellen. Ein Orts- und Personenregister erleichtert die Suche nach diesen Entitäten. Die Rechtsquellen des Klosters Einsiedeln sind grösstenteils noch nicht publiziert, weshalb innerhalb der Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen analog der Reihe Rechtsquellen der Abtei St. Gallen eine solche für Einsiedeln in Angriff genommen werden müsste. Diese Reihe dürfte die Abteilungs- beziehungsweise Kantonsgrenzen überschreiten und somit neue Aspekte zur Rechtsgeschichte des Klosters Einsiedeln liefern.

Zitierweise:
Pascale Sutter: Rezension zu: Colette Halter-Pernet, Hofrechte und Offnungen des Klosters Einsiedeln. Entstehung, Entwicklung, Verwendung, Zürich: Chronos Verlag, 2014. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte Vol. 66 Nr. 3, 2016, S. 455-457.

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Zuerst veröffentlicht in

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte Vol. 66 Nr. 3, 2016, S. 455-457.

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